Die ENERGIEWENDE ist eine Generationen- und Jahrhundertaufgabe, die sehr große technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen, aber langfristig auch große Chancen für Deutschland beinhaltet. Die Gründe für die Energiewende sind letztendlich zeitlos. Es ist nicht nur die Abkehr von der Atomkraft, sondern ein kompletter und radikaler Umbau der gesamten Energieversorgung.
Erschwerend kommt in letzter Zeit, erst Anfang 2019 durch eine Kommission aufbereitet, der Ausstieg aus der Kohleverstromung mit der Abschaltung aller Kohle- und Braunkohlekraftwerke hinzu.
Der Weg der Energiewende ist sehr lang und schwierig und erfordert neue Lösungen, ein langfristiges Denken und besonders die Unterstützung der Bürger. Sehr viele Aspekte sind zu beachten.
Da die ENERGIEWENDE in der Presse und Gesellschaft sehr unterschiedlich definiert und bewertet wird, versuche ich aufbauend auf meinen Erfahrungen in der elektrischen Energieversorgung in Schlagworten zur Verdeutlichung und Versachlichung des Themas beizutragen.
In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass der Begriff "Energiewende", der besonders in Deutschland thematisiert ist, durch den Begriff "Klimawandel" bzw. "Klimaschutz" abgelöst und überdeckt wird.
„Energiewende“ wird in der Literatur z. B. definiert als:
• „Umbau der Energieversorgung auf abgasfreie Stromerzeugung“
• „Weg zu Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“
• „Auf Dauer weniger Energie verbrauchen“
• „Energiewende ist eng mit einer Wärme- und Mobilitätswende verknüpft.“
Welche Themen und Aufgaben stehen hinter dem Schlagwort oder Modewort „Energiewende“?
• Klimawandel --> Reduzierung des CO2-Ausstoßes
• Atomwende --> Abschaltung aller Kernkraftwerke
• Lösung der Endlagerfrage für Atommüll
• Maximale Nutzung der Erneuerbaren Energien (Ökostrom = Strom aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasser)
• Schonung fossiler Brennstoffe für kommende Generationen
• Erhöhung der Energieeffizienz --> Einsparpotenziale nutzen
• Biokraftstoff aus Biomasse (E10-Sprit)
• Elektromobilität (E-Mobile) --> Abgasreduzierung, Nutzung als Speicher, Mobilitätswende
• Dekarbonisierung der Gesellschaft (Jahrhundertziel des G7-Gipfels in Elmau 2015)
• Dekarbonisierung des Verkehrs (z. B. Clean Energy Partnership für Wasserstoffmobilität, 2017)
Wie ist die heutige (2019) Ausgangslage aus politischer Sicht?
• Globale Erwärmung (Klimawandel) wird immer deutlicher und zwingt zum Handeln.
• Die Energiewende begann schon vor Fukushima.
• Beschleunigter, stufenweiser Ausstieg aus der Nutzung der Kernkraft bis 2022 wurde vom Bundestag 2011 entschieden.
• Die Bevölkerung will kein Zurück zur Kernkraft.
• Atomstrom aus Nachbarländern ist keine Alternative und wird nicht gewollt.
• Ausstehende Entscheidungen für Endlager. --> Gesetz 2017 zum Standortauswahlverfahren mit Ziel 2031
• Strategische Frage der langfristigen Versorgungssicherheit.
• Der Bund und jedes Land handeln nach einer eigenen Strategie. Dabei gibt es unterschiedliche Ziele und Differenzen.
• Unterschiedliche Bewertungen und Ziele in den politischen Parteien.
• Widersprüchliche Einschätzungen und Empfehlungen der Experten.
• Klare Koordinierung und ein fester Plan fehlen.
• Für Hessen wurden beim Hessischen Klimagipfel 2011 die Ziele bis 2050 festgelegt: - Strom und Wärme zu 100 % aus Erneuerbarer Energie bis 2050. - Steigerung der jährlichen Gebäudesanierungsquote von 0,75 Prozent auf mind. 2,5 bis 3 Prozent
• EU-Richtlinien, z. B. zum Biosprit.
• Jahrhundertprojekt mit riesigen Aufgaben.
• Herkulesaufgabe.
• Es gibt weder eine Blaupause noch einen Masterplan.
• Die Energiewende ist enorm teuer.
• Gesamtkosten sind nicht seriös abschätzbar (Risiken, Politik).
• Finanzierung ist ungeklärt und derzeitige EEG-Förderung ist umstritten.
• Regulierungsrahmen ist anzupassen.
• Digitalisierung ist wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende.
Wie ist die heutige Ausgangslage aus technischer Sicht?
• Alle Kernkraftwerke müssen bis 2022 ersetzt werden. Nach einer Verlängerung wegen des Ukraine-Krieges wurde das Ziel 2023 erreicht.
• Endlager für radioaktive Abfälle fehlen noch lange Zeit. Die Entscheidung für einen Standort soll frühestens in den 2040er Jahren fallen.
• Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien ändert die Einspeisesituation grundlegend.
• Viele dezentrale Einspeisungen wurden installiert, besonders in Norddeutschland
• Volatile Erzeugung bei Wind und Photovoltaik
• Doppelter Paradigmenwechsel für den Netzbetrieb
• Die Energieversorgungsnetze sind dafür nicht vorgesehen.
• Umbau der gesamten Energieversorgungsinfrastruktur --> kompletter Systemumbau
• „Schattenkraftwerke“ (Gas und Kohle) werden zumindest in einer langen Übergangsphase als Reserve benötigt.
• Energiespeicher fehlen in riesigem Umfang. --> Wirtschaftliche Speicher sind kurzfristig noch nicht realisierbar. --> Energiespeicher nötig zur richtigen Zeit und am richtigen Ort.
• Neue „Stromautobahnen“ fehlen und sind dringend zu bauen. Der Ausbau und die konkreten Trassen sind strittig und kommt nur sehr langsam voran. Durch die Forderung nach Erdkabeln verzögert sich der Ausbau weiter.
• Verteilungsnetze sind in großem Umfang auszubauen.
• Bisherige Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz haben Stromverbrauch nicht gesenkt, sondern nur etwa gleich gehalten.
• Viele kleinere Energiesparmaßnahmen sind umzusetzen: --> Energieeinsparung durch LED-Leuchten möglich, z. B. bei Straßenlaternen. --> Effizientere Pumpen bei Heizungen (Pumpenstromkampagne) --> Abschalten statt Stand-by
• Digitalisierung geht nicht ohne ausreichende Datensicherheit --> IT-Sicherheit --> Schutz von kritischen Infrastrukturen --> Datenschutz bei Smart Meter und Smart Home
• Schnittstellen, Zähler usw. sind zu normen. Eine langwierige und schwierige Aufgabe. 2019 war erst ein Gateway eines intelligenten Stromzählers vom BSI zertifiziert.
Wie ist die heutige Ausgangslage aus allgemeiner Sicht?
• Schon heute hohe Stromkosten --> Wachsender Unmut über steigende Stromkosten. --> Gerechtigkeit und faire Lastenverteilung sind zu erreichen. --> EEG-Förderung "läuft aus dem Ruder".
• Ständig steigende Energiepreise für Benzin, Heizöl, Gas. --> Fossile Energie wird langfristig immer teurer. --> Fossile Energie wird langfristig immer knapper ("Weltweit Kampf um Ressourcen").
• Energiekosten sind sozialer Zündstoff.
• Energiewende ist Neuland mit erheblichen Risiken. --> Viele widersprüchliche und irritierende "Expertenmeinungen".
• Widerstand und Angst der Bürger bei der Realisierung neuer Kraftwerke und dem Leitungsbau
• Hohe Kosten der neuen technischen Geräte und Anlagen - Riesige Bandbreite bei den geschätzten Kosten.
• Energiewende muss bezahlbar sein.
• Gerechte Lastenverteilung wird noch gesucht. Dabei sind zu beachten: - Schutz der produzierenden Industrie im internationalen Wettbewerb. - Schutz einkommensschwacher Bürger vor Stromabschaltung und Armut. - Förderung mit Augenmaß.
• Energieverbraucher müssen ihr Verhalten ändern.
• Biosprit ist umstritten, z. B.: - Anbau von Energiepflanzen führt zur Erhöhung der Lebensmittelkosten. - Energiemais führt zur Monokultur.
• Anreize für Stromsparen sind nötig, z. B. spezielle Tarife.
• Elektroautos (E-Mobile) bisher kaum im Einsatz, Ziele noch extrem weit verfehlt: Ist 2018 ca 25.000 Elektroautos bei Ziel 1 Mio für 2020, 15.000 Ladestationen fehlen bundesweit, Batterien sind nicht genügend leistungsfähig.
• Ausbau der HGÜ-Übertragungsleitungen verzögert sich um Jahre wegen Beschluss der Regierung zur weitgehenden Verkabelung. - Immense Mehrkosten. - Betriebliche Nachteile: Lange Reparaturzeiten usw. - Technische Leitfaden und Regeln 2018 noch in Arbeit
Trotz aller Schwierigkeiten:
===> Deutschland kann es!
Technische Herausforderungen, die zu meistern sind:
• Ausbau der Übertragungs- und Verteilungsnetze - etwa 3800 km im Übertragungsnetz, - etwa 380.000 km im Verteilungsnetz
• Entwicklung leistungsfähiger und wirtschaftlicher Energiespeicher - Erhebliche Forschungsarbeit ist noch zu leisten. - Sehr große Speicherkapazität ist erforderlich und bereitzustellen.
• Wirtschaftliche Lösungen bei Erneuerbaren Energien - Wirtschaftliche Stromerzeugung ohne EEG-Förderung als Ziel
• Intelligentes Lastmanagement zur dynamischen Anpassung des Verbrauchs an die Erzeugung
• Realisierung Smart Grids, Smart Market, Smart Home
• Normierung und Standardisierung von Schnittstellen
• Schutz der Daten beim Smart Metering (BSI-Schutzprofil noch in Bearbeitung im Sommer 2012).
• E-Mobile wettbewerbsfähig machen und Infrastruktur ausbauen. - Anschaffungskosten senken - Reichweite vergrößern - Ausbau eines Netzes mit Strom-Tankstellen
• Verbesserung der Energieeffizienz durch schnellere energetische Gebäudesanierung.
Zentrale gesellschaftliche Herausforderungen, die beachtet werden müssen:
• Kosten müssen für Bürger und Industrie ertragbar sein.
• Sichere und zuverlässige Energieversorgung muss erhalten werden.
• Rücksicht auf die Umwelt, die Schöpfung wahrend
• Einbeziehung und Information der Bürger - "Wer gut informiert ist, kann klüger handeln!"
• Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen
• Gemeinsames Handeln aller politischen Ebenene.
• Teilziele müssen definiert werden.
Chancen für Deutschland durch die ENERGIEWENDE:
• Wichtiger Beitrag zum Klimaschutz
• Reduzierung der Abhängigkeit vom Ausland
• Modernisierung der gesamten Infrastruktur
• Neue Arbeitsplätze
• Stärkung regionaler Energieversorger
• Energiedienstleistungen stärken Wertschöpfung vor Ort.
Meine persönliche Schlussfolgerung:
• Der Weg ist schwierig, mühselig und lang, ein Marathonlauf!
• Die technischen Aufgaben sind lösbar, erfordern aber sehr viel Zeit.
• Die Kosten sind sehr hoch und die Finanzierung wird schwierig.
• Sehr viel Geduld und Ausdauer sind nötig.
• Die Umsetzung muss den technischen Möglichkeiten folgen.
• Zeitplan und Förderung müssen immer wieder nachjustiert werden.
• Es lohnt sich für die Energiewende zu kämpfen.
• Wir handeln für die Zukunft unserer Kinder und Enkel.
• Transparenz und sachliche Diskussion sind wichtig.
• Es gibt keine realistische Alternative!
• Alle Bürger, Kommunen und Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten
• "Nein Danke" zu Atomstrom erfordert ein klares Ja zur Energiewende.
Ich wünsche mir, dass Lösungen gesucht werden, die für die Menschen, die Umwelt und unser Land sozial, ökologisch und ökonomisch vertretbar sind. Weder ein radikales Nein gegen alle Lösungen noch die alleinige Ausrichtung auf maximale Rendite sind der richtige Weg.
Wer schon bestehende "Monster-Windkraftanlagen" z. B. bei Hof in Oberfranken gesehen hat oder die angekündigte Realisierung noch sehr viel größerer Onshore-Windkraftanlagen mit Turbinen der 7,5-MW-Klasse in den Niederlanden verfolgt, fragt sich, wo das hinführt und ob es nicht auch kleiner und durch angemessene Höhenbegrenzung mit mehr Rücksicht auf die Landschaft und die Menschen geht. Die Maximierung des Gewinns darf nicht das bestimmende Kriterium sein.
Vernünftige Kompromisse und möglichst einvernehmliche Lösungen sind nötig.